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Mittelherkunft und Geldwäscherecht

Die Bargeldobergrenze in Deutschland

Nicht nur die jüngsten Verschärfungen der deutschen Vorschriften zur Geldwäschebekämpfung haben Diskussionen über Bargeld neu befeuert. Bereits in der Corona-Krise wurde der Ruf nach einer Abkehr vom Bargeld wieder lauter. Im Eifer des Gefechts verlieren jedoch viele die geltenden Grundsätze zur Bargeldnutzung zunehmend aus den Augen. Insbesondere bei der vermeintlichen Bargeldobergrenze in Deutschland werfen Youtuber und selbst hochrangige Politiker mittlerweile Fakten und Fantasien wild durcheinander.

Warum es über die Bargeldobergrenze in Deutschland so viele Fehlinformationen gibt

Es heißt, in keinem anderen Land sei das Bargeld den Bürger so wichtig wie in Deutschland. Es verkörpere Freiheit und Privatsphäre. Wer bar bezahle, könne noch richtig anonym am Wirtschaftsleben teilnehmen.

Die Corona-Krise war und ist daher keine einfache Zeit für echte Verfechter des Bargeldes. Zum Zwecke des Infektionsschutzes ergriffen nahezu alle Händler Maßnahmen, um kontaktlose Zahlungen per Karte oder mit E-Geld zu ermöglichen. Und siehe da: Erstaunlich viele Menschen waren nicht unglücklich darüber, beim Bäcker endlich kein Bargeld mehr zur Zahlung zu benötigen.

Dennoch verspürt ein nicht kleiner Teil der Deutschen eine dauerhafte Angst, der Staat werde sie ihres geliebten Bargeldes jeden Moment berauben. Auch der Infektionsschutz sei nur vorgeschoben, um die Deutschen langsam vom Bargeld zu entwöhnen. Jedem sei seine persönliche Meinung dazu zugestanden.

Das Maß an Fehlinformationen über die Fakten des Umgangs mit Bargeld in Deutschland erhöht sich jedoch stetig. Youtuber, Influencer und Politiker gleichermaßen irritieren heillos darüber, was eigentlich (noch) relativ simplen Regeln unterliegt.

Alles eine Frage der Definition?

Bevor Aussagen über die Höhe einer vermeintlichen Bargeldgrenze bzw. Bargeldobergrenze getroffen werden, sollte man sich fragen, was darunter überhaupt zu verstehen ist. Denn es gibt durchaus mehrere Möglichkeiten, diesen Begriff zu interpretieren. Und alle Möglichkeiten können Unterschiedliches meinen.

Bedeutet Bargeldobergrenze eine Summe, bis zu der in Deutschland Bargeschäft getätigt werden können? Oder meint sie eine Summe, bis zu der Bargeldgeschäfte anonym getätigt werden können? Oder beschreibt sie die Höchstsumme, die ein Deutscher an Bargeld besitzen darf? Vielleicht ist aber auch gemeint, dass bis zu dieser Grenze kein Herkunftsnachweis vorzulegen ist?

Die Varianten sind zahlreich und hier beginnt auch die Misere um das richtige Verständnis.

Erst vor wenigen Tagen proklamierte ein Krisenprophet bei Youtube in einem neuen Video, man könne in Deutschland seit Kurzem nur noch bis 10.000 Euro Bargeschäfte tätigen; für alles darüber müsse ein Mittelherkunftsnachweis vorgelegt werden.

Auch der Vorsitzende einer großen deutschen Partei, die für die kommende Bundestagswahl Regierungsambitionen anmeldet, äußerte kürzlich in einem Interview entrüstet, es könne nicht angehen, dass in Deutschland nur noch bis 10.000 Euro bar gezahlt werden könne. Er traf diese Aussage im Zusammenhang mit den kürzlich eingeführten Herkunftsnachweisen für Bareinzahlungen bei Banken (zum Beispiel der Postbank, der Commerzbank bzw. Comdirect oder der ING DiBa).

Es ist nicht klar, ob beide Aussagen gezielt verwirren sollen oder einfach nur unglücklich formuliert waren. Bei Bürger entsteht so jedoch jedenfalls Verwirrung. Umso wichtiger ist die Aufklärung! Bei einer reinen Neo- und Onlinebank wie der Fidor Bank oder Trade Republic stellt sich die Frage natürlich schon von Natur aus nicht.

Es gibt keine „echte“ Bargeldobergrenze in Deutschland!

Im Zusammenhang mit Geschäften des täglichen Lebens verstehen viele die Bargeldobergrenze als eine Höchstsumme, bis zu der man z.B. bei Kaufgeschäften in bar zahlen darf. Dieses Verständnis ist irreführend! Denn zwei „Bargeldgrenzen“ gibt es in Deutschland definitiv nicht:

  1. Keine Höchstsumme für den Besitz von Bargeld!
  2. Keine Höchstsumme für die Zahlung mit Bargeld (Ausnahmen nur für wenige Waren)!


Da in Deutschland also jeder beliebig viel Bargeld besitzen darf und auch Barkäufe grundsätzlich in beliebiger Höhe vornehmen darf, müssten einige Missverständnisse damit bereits ausgeräumt sein. Es gibt nach deutschem Recht solche Höchstsummen schlichtweg nicht (Stand August 2021)! Und das macht die beiden oben angeführten Aussagen des Youtubers und des Spitzenpolitikers auch so falsch. Die Bargeldobergrenze kann im Kontext des alltäglichen Lebens deshalb nur als Betrag verstanden werden, bis zu dem Barzahlungen ohne jegliche Bedingung geleistet werden können.

Und doch besteht eine „gefühlte“ Bargeldobergrenze in Deutschland

Weil es ein so beliebtes wie plakatives Beispiel ist: Sie können auch den Kaufpreis für ein Auto in Höhe von beispielsweise 40.000 Euro bar zahlen, wenn der Händler damit einverstanden ist. Der Kaufpreis ist hierbei beliebig austauschbar! Der Gesetzgeber verbietet das nicht, sondern fordert „lediglich“ die händlerseitige Beachtung der Geldwäschevorschriften (siehe unten). Diese allerdings stellen für Händler große formale Herausforderungen dar. Und der Nachweis über die Mittelherkunft spielt in diesem Bereich noch nicht einmal eine Rolle.

Denn die deutschen Anti-Geldwäsche-Vorschriften sehen durchaus Konstellationen vor, in denen Sie gewisse Informationen bereitstellen müssen, wenn Sie bestimmte Bargeschäfte vornehmen möchten. So müssen Sie sich etwa bei Barzahlungen ab 10.000 EUR zumindest ausweisen. Dies gilt auch beim obigen Beispiel des Autokaufs, da der angenommene Kaufpreis dort bei über 10.000 EUR liegt.

Ein medial derzeit sehr präsentes und über die Ausweispflicht hinausgehendes Beispiel ist das Erfordernis eines Herkunftsnachweises bei Bareinzahlungen im Wert von über 10.000 EUR auf Ihr Girokonto. Weitere Herkunftsnachweispflichten gibt es etwa für den Erwerb von Edelmetallen bei Kreditinstituten (wie etwa den Sparkassen), ab einem Limit von über 2.500 EUR (wenn Sie dort noch kein Kunde sind) bzw. 10.000 EUR (wenn Sie bereits Kunde der Bank sind). Auch für Immobilienkäufe gibt es aufgrund des erhöhten Geldwäscherisikos spezielle Vorschriften, die die Barzahlung hier sogar komplett verbieten.

Ausweispflicht bei Barzahlung ab 10.000 Euro bedeutet noch keine Bargeldobergrenze in Deutschland

Zwar dürften bei den allermeisten Menschen Barzahlungen über 10.000 EUR im Alltag nicht allzu häufig vorkommen. Doch überschreiben dieser Betrag regelmäßig beispielsweise Käufe von Autos, Mobiliar oder etwa Musikinstrumenten. Es besteht daher doch eine gewisse Alltagsrelevanz.

Warum muss ich bei Barzahlungen ab 10.000 EUR meinen Ausweis vorlegen?

Die einfache Antwort darauf lautet: Weil der Gesetzgeber dies so festgelegt hat. Das Geldwäschegesetz (GwG) enthält entsprechende Regelungen und verpflichtet auch Händler bei Barzahlungen dieser Höhe zur Feststellung Ihrer Identität.

In allen drei oben genannten Beispielen handelt es sich um Fälle von Warenverkäufen (z.B. Autos, Mobiliar, Musikinstrumente). Verkäufer von Waren sind als sogenannte Güterhändler zur Befolgung und Umsetzung der Vorschriften des GwG verpflichtet. Sie sind als Güterhändler sogenannte Verpflichtete des GwG.

Rechtlicher Hintergrund der Umstände bei Barzahlung über 10.000 EUR

Alle den Vorschriften des GwG Verpflichteten müssen zur Verhinderung von Geldwäsche und von Terrorismusfinanzierung über ein sogenanntes wirksames Risikomanagement verfügen. Dieses muss im Hinblick auf Art und Umfang ihrer Geschäftstätigkeit angemessen sein.

Für Güterhändler gilt ausdrücklich, dass wenn sie Barzahlungen über mindestens 10.000 EUR selbst oder durch Dritte tätigen oder entgegennehmen

  • über ein wirksames Risikomanagement verfügen und
  • sogenannte allgemeine Sorgfaltspflichten erfüllen müssen.


Was sich nun hinter dem Begriff der allgemeinen Sorgfaltspflicht verbirgt, ist im GwG sehr umfassend geregelt. Wir können dies hier deshalb nicht in allen Details wiedergeben. Das GwG unterscheidet nach der Art des Geschäfts und nach den Personen, die dieses Geschäfts schließen möchten, sprich mit Bargeld bezahlen möchten.

Kernelement der allgemeinen Sorgfaltspflichten ist jedoch die Identifizierung des Vertragspartners und gegebenenfalls der für ihn auftretenden Person sowie die Prüfung, ob die für den Vertragspartner auftretende Person hierzu berechtigt ist. Und genau dieses Kernelement ist es, welches Ihnen bei Händler vor Ort begegnet, wenn Sie Barzahlungen über 10.000 EUR leisten möchten.

Sie werden nach Ihrem Ausweis gefragt und die Händler behalten eine Kopie Ihres Ausweises ein. Zumindest dann, wenn Sie das Prozedere korrekt durchführen. Denn auch zur Speicherung Ihrer Daten sind Händler nach dem GwG verpflichtet. Mehr zum Thema Datenspeicherung erfahren Sie unseren FAQ.

Unter die vorgenannten Erläuterungen fallen grundsätzliche alle üblichen Warenverkäufe. Für Edelmetalle wie Gold und Silber sind die Vorschriften jedoch schärfer. Hier verpflichtet das GwG Händler bereits bei Geschäften ab 2.000 EUR zur Forderung Ihres Ausweisdokuments, da es sich um bestimmte hochwertige Güter im Sinne des GwG handelt.

Händler dürfen Bargeld verweigern!

Um beim Beispiel von Autoverkäufer zu bleiben: Autoverkäufer sind also als Güterhändler zugleich Verpflichtete im Sinne des GwG. Sie müssen bei Barzahlungen ab über 10.000 EUR Ihre Identität feststellen bzw. die Identität der Person, die das Geschäft für sie durchführt. Dies geschieht in aller Regel durch Vorlage eines Ausweisdokuments. Beauftragen Sie eine andere Person mit Ihrem Geschäft, sind weitere Prüfungen erforderlich, um die Berechtigung der Person sicherzustellen.

Doch damit nicht genug. Insgesamt sind die Anforderungen des GwG gegenüber Händlern ausgesprochen hoch. Zwar führen wir hier immer wieder das Beispiel der Identitätsfeststellung an, welche Händler bei Barkäufen ab über 10.000 EUR bei Ihnen durchführen müssen. Doch damit tun Händler den Anforderungen des GwG längst nicht genüge. Das Gesetz sieht einen ganzen Katalog an Maßnahmen vor, die Händler in diesen Situationen eigentlich erfüllen müssten.

Händler haben Sorge, gegen das Geldwäschegesetz zu verstoßen. Und wenden sich vermehrt vom Bargeld ab

Es dürfte nicht übertrieben sein zu behaupten, dass Verkaufsgeschäfte durchschnittlicher Größe und ohne eigene juristische Expertise häufig nicht einmal im Stande sein dürften, die maßgeblichen Vorschriften zu erfassen, geschweige denn umzusetzen. Zugleich drohen bei Nichtbeachtung jedoch empfindliche Strafen und Konsequenzen. Immer mehr Händler lösen dieses Dilemma nach den jüngsten Verschärfungen des GwG für sich durch einen pragmatischen Schritt:

Sie nehmen überhaupt keine Barzahlungen über den jeweiligen Schwellenwerten mehr an. Denn so laufen sie auch nicht Gefahr, versehentlich gegen die komplexen Geldwäschevorschriften zu verstoßen.

Verübeln kann man es Ihnen nicht. Es sei hier deshalb auf die in Deutschland geltende Vertragsfreiheit hingewiesen. Diese besagt, dass jeder Verträge mit beliebigem Inhalt schließen darf, solange dadurch keine gesetzlichen Vorschriften verletzt werden.

Im Kontext der Barzahlung bedeutet dies: Händler dürfen einen Vertragsschluss mit Ihnen verweigern, wenn Sie in bar bezahlen möchten! Das ist keine gesetzliche Vorschrift, sonder die freie unternehmerische Entscheidung der am privaten Wirtschaftsleben teilnehmenden Händler. Solange Sie im Vorfeld des Vertragsschlusses darauf hingewiesen werden, dass Barzahlungen bestimmter Höhe nicht möglich sind, steht dieser Vertragsbedingung nichts entgegen.

Denn Sie können als KundIn immerhin frei entscheiden, ob Sie den Kauf bei anderen Händler tätigen möchten, die ihr Bargeld akzeptieren.